Dienstag, 27. Juni 2017

„Sanssouci“ – Asyl: Ein Einsamer, Friedrich der Große, unterstützt einen anderen Einsamen, den verfolgten Wahlverwandten Jean-Jacques Rousseau. -


1.4. „Sanssouci“ – Asyl: Ein Einsamer, Friedrich der Große, unterstützt einen anderen Einsamen, den verfolgten Wahlverwandten Jean-Jacques Rousseau.




Die Früchte des Lebens in der Einsamkeit sind seine großen Werke „Emile“ und „Contrat social“ (1762), jenes Opus mit dem berühmten Satz: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten.“

Weite Passagen aus „Emile“ wurden sowohl in Paris wie auch in Rousseaus Heimatstadt Genf als Generalangriff auf das Christentum angesehen. Die Folgen davon waren ausgeprägte Stigmatisierung, öffentliche Bücherverbrennung, Haftbefehl und jahrelange Verfolgung sowohl in Frankreich, aber auch in der liberaleren Schweiz. Rousseau, auf der Flucht wie in früheren Jahrhunderten seine freigeistigen Gefährten in Einsamkeit Pico della Mirandola oder Giordano Bruno, brauchte Hilfe.

Ja, er fand diese Hilfe, garniert mit viel Empathie, bei einem anderen Einsamen, bei dem hochgestellten Philanthropen Friedrich der Zweite, König von Preußen, den Rousseau früher noch als Tyrannen beschimpft hatte. Friedrich der Große, jahrelang Mäzen und Gastgeber Voltaires, wies seinen Verwalter in der preußischen Exklave Neuenburg, im Herzen der Schweiz gelegen an, dem Asylgesuch Rousseaus zu entsprechen, den Flüchtling aufzunehmen und diesen tatkräftig zu unterstützen.

Preußenkönig Friedrich, von Gottes Gnaden absoluter Monarch und toleranter Freigeist zugleich, bewunderte Rousseau als einen Wahlverwandten, als den Einsamen schlechthin, der, anders als der höchst gesellige Voltaire, großartige Werke aus der Einsamkeit heraus schuf. Sein mutiges Mäzenatentum rechtfertigend, schreibt der Eremit von Sanssouci an Keith: „Wir müssen diesem armen Unglücklichen helfen. Sein einziges Vergehen ist es, wunderliche Meinungen zu haben, von denen er glaubt, dass sie richtig seien. (...) Wenn wir nicht im Kriege und bankrott wären, würde ich ihm eine Einsiedelei in meinem Garten einrichten, wo er leben könnte, wie nach seiner Meinung unsere Vorfahren gelebt haben.(...) Ich meine, Ihr Rousseau hat seinen Beruf verfehlt. Er sollte offenbar ein berühmter Anachoret, ein Einsiedler in der Wüste, werden, berühmt für seine Sittenstrenge und Selbstkasteiung. (...) Also schließe ich, dass die Sittlichkeit Ihres Wilden ebenso rein ist wie sein Geist unlogisch.“[7]

Die gönnerhaften Zeilen, möglicherweise auf einem der Schlachtfelder des Siebenjährigen Krieges verfasst, könnten von Voltaire selbst stammen. Der Philosoph und Schriftsteller von Weltrang, Rousseau, erscheint in der humorvollen Darstellung des selbstherrlichen, kriegslüsternen, doch sehr realitätsbezogenen Machtmenschen Friedrich II. als eine Art „krankes Genie“, als ein liebenswerter Kauz und als weltfremder Phantast, der nur nach einem ruhigen Hafen Ausschau hält, nach einem stillen Ort der Geborgenheit, von welchem aus er weiter schreiben und wirken kann. Dass Friedrich der Große, der Rousseau viel näher stand. als er es je zugegeben hätte, sich mit der Residenz in Potsdam nichts anderes schuf als eine „Eremitage“ im großen Stil – das sagt der absolute Monarch nicht. „Sanssouci“ war – nicht anders als die Märchenschlösser des bayerischen Königs und Extrem-Melancholikers Ludwig II. auch – in der Tat das Refugium eines Einsamen und zeitweiligen Misanthropen, dem das Wohl seiner Hunde wichtiger war als das Los seiner Untertanen.






Leseprobe aus: Carl Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.



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Inhalt des Buches: 


Carl Gibson


Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca


zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche


Carl Gibson

Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche





Das 521 Seiten umfassende Buch ist am 20 Juli 2015 erschienen. 

Carl Gibson

Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche


Motivik europäischer Geistesgeschichte und anthropologische Phänomenbeschreibung – Existenzmodell „Einsamkeit“ als „conditio sine qua non“ geistig-künstlerischen Schaffens


Mit Beiträgen zu:

Epikur, Cicero, Augustinus, Petrarca, Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Ficino, Pico della Mirandola, Lorenzo de’ Medici, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Savonarola, Robert Burton, Montaigne, Jean-Jacques Rousseau, Chamfort, J. G. Zimmermann, Kant, Jaspers und Heidegger,


dargestellt in Aufsätzen, Interpretationen und wissenschaftlichen Essays

1. Auflage, Juli 2015
Copyright © Carl Gibson 2015
Bad Mergentheim

Alle Rechte vorbehalten.


ISBN: 978-3-00-049939-5


Aus der Reihe:

Schriften zur Literatur, Philosophie, Geistesgeschichte
und Kritisches zum Zeitgeschehen. Bd. 2, 2015

Herausgegeben vom
Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim


Bestellungen direkt beim Autor Carl Gibson,

Email: carlgibsongermany@gmail.com

-         oder regulär über den Buchhandel.

„Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit!“ – Das verkündet Friedrich Nietzsche in seinem „Zarathustra“ als einer der Einsamsten überhaupt aus der langen Reihe illustrer Melancholiker seit der Antike. Einsamkeit – Segen oder Fluch?

Nach Aristoteles, Thomas von Aquin und Savonarola ist das „zoon politikon“ Mensch nicht für ein Leben in Einsamkeit bestimmt – nur Gott oder der Teufel könnten in Einsamkeit existieren. Andere Koryphäen und Apologeten des Lebens in Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit werden in der Einsamkeit die Schaffensbedingung des schöpferischen Menschen schlechthin erkennen, Dichter, Maler, Komponisten, selbst Staatsmänner und Monarchen wie Friedrich der Große oder Erz-Melancholiker Ludwig II. von Bayern – Sie alle werden das einsame Leben als Form der Selbstbestimmung und Freiheit in den Himmel heben, nicht anders als seinerzeit die Renaissance-Genies Michelangelo und Leonardo da Vinci.

Alle großen Leidenschaften entstehen in der Einsamkeit, postuliert der Vordenker der Französischen Revolution, Jean-Jacques Rousseau, das Massen-Dasein genauso ablehnend wie mancher solitäre Denker in zwei Jahrtausenden, beginnend mit Vorsokratikern wie Empedokles oder Demokrit bis hin zu Martin Heidegger, der das Sein in der Uneigentlichkeit als eine dem modernen Menschen nicht angemessene Lebensform geißelt. Ovid und Seneca verfassten große Werke der Weltliteratur isoliert in der Verbannung. Petrarca lebte viele Jahre seiner Schaffenszeit einsam bei Avignon in der Provence. Selbst Montaigne verschwand für zehn Jahre in seinem Turm, um, lange nach dem stoischen Weltenlenker Mark Aurel, zum Selbst zu gelangen und aus frei gewählter Einsamkeit heraus zu wirken.

Weshalb zog es geniale Menschen in die Einsamkeit? Waren alle Genies Melancholiker? Wer ist zur Melancholie gestimmt, disponiert? Was bedingt ein Leben in Einsamkeit überhauptWelche Typen bringt die Einsamkeit hervor? Was treibt uns in die neue Einsamkeit? Weshalb leben wir heute in einer anonymen Single-Gesellschaft? Wer entscheidet über ein leidvolles Los im unfreiwilligen Alleinsein, in Vereinsamung und Depression oder über ein erfülltes, glückliches Dasein in trauter Zweisamkeit? Das sind existenzbestimmende Fragen, die über unser alltägliches Wohl und Wehe entscheiden. Große Geister, Dichter, Philosophen von Rang, haben darauf geantwortet – richtungweisend für Gleichgesinnte in ähnlicher Existenzlage, aber auch gültig für den Normalsterblichen, der in verfahrener Situation nach Lösungen und Auswegen sucht. Dieses Buch zielt auf das Verstehen der anthropologischen Phänomene und Grunderfahrungen Einsamkeit, Vereinsamung, Melancholie und Acedia im hermeneutischen Prozess als Voraussetzung ihrer Bewältigung. Erkenntnisse einer langen Phänomen-Geschichte können so von unmittelbar Betroffenen existentiell umgesetzt werden und auch in die „Therapie“ einfließen.

Carl Gibson, Praktizierender Philosoph, Literaturwissenschaftler, Zeitkritiker, zwölf Buchveröffentlichungen. Hauptwerke: Lenau. Leben – Werk – Wirkung. Heidelberg 1989, Symphonie der Freiheit, 2008, Allein in der Revolte, 2013, Die Zeit der Chamäleons, 2014.






ISBN: 978-3-00-049939-5

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Herta Müller verhöhnt auch die Opfer von Auschwitz, Auszug aus: Carl Gibson, Vom Logos zum Mythos, 2015.

Wer die Diktatur faktisch entstellt, verfälscht die Geschichte und verhöhnt die Opfer der Diktatur.  Herta Müller hat beides getan - beuss...